Insgesamt 61 Kunstwerke von Klaus Berschens werden in den Räumen der Meerkatze sowie im Garten des Hauses gezeigt. Wichtiger Teil der Ausstellung ist die Gruppe von 12 teilweise großformatigen
Gemälden, die in den letzten Monaten entstanden sind.
Axel Wendelberger
7. November 2014
Ausstellungs-Eröffnung
Es ist immer etwas Besonderes, die Werke eines Künstlers in konzentrierter Häufung an einem Ort zu sehen. Das Atelier von Klaus Berschens ist ein solcher Ort. Was dort im Stallgebäude eines
Bauernhofes in Kircheib im Westerwald entsteht, ist bemerkenswert: blockhafte Skulpturen, groß und klein, farbige Stelen, Reliefs und neuerdings auch Bilder. Die schiere Menge der Werke, die
spontan eine starke Anziehungskraft ausüben, ist überwältigend. Man möchte Zeit mit ihnen verbringen, sich mit ihnen befassen, in Dialog mit ihnen treten. So wird ein Atelierbesuch bei
Berschens schnell zu einer aus- gedehnten Wandertour durch sein Schaffen. Aber seine Arbeiten büßen auch außerhalb des Ateliers nichts von ihrem Zauber ein. Sie entfalten dieselbe Wirkung in
Ausstellungen, in öffentlichen Räumen oder im privaten Umfeld. Es mag Künstler geben, deren Werke in der Häufung an Reiz verlieren.
Klaus Berschens ist keiner von ihnen.
«Ich wußte auch nicht, dass ich so etwas kann. Es kam einfach zu mir», sagte Berschens einmal in einem Gespräch. Im Jahr 2004 entschloss er sich nach erlittener tiefer persönlicher
Erschütterung infolge schwerer Krankheit, als freischaffender Bildhauer tätig zu sein. Er tat dies in einem Alter, in dem andere Künstler bereits auf eine jahrzehntelange Werkentwicklung
zurückblicken. Sein Schritt hin zur Bildhauerei war radikal. Ebenso radikal ist sein künstlerisches Arbeitspensum seitdem. In relativ kurzen Zeitabschnitten vollzieht er tief gehende
Entwicklungsschritte. Den Kunstwerken ist dies nicht anzusehen. In ihrer geradezu archaischen Monumentalität beeindrucken sie mit ihrer Gültigkeit und Präsenz. Sie sprechen vom Ringen des
Künstlers um Ordnung und Dauerhaftigkeit. Berschens ist erfüllt von seiner Vision des idealen Kunstwerkes, getrieben von einer starken «Sehnsucht nach Tiefe, Dichte und Gestalt», wie er es
selbst ausdrückt.
Es liegt etwas zutiefst Menschliches in dem Versuch, die Unwägbarkeiten und Bedrohungen einer chaotischen und letzten Endes unerklärlichen Welt mithilfe einfacher geometrischer
Ordnungsprinzipien zu bannen — gegen die Vergänglichkeit etwas von Dauer zu setzen. Diese Traditionslinie reicht von prähistorischer Zeit bis hin zu den konstruktiven Tendenzen heutiger Kunst.
Sein Medium der Dauerhaftigkeit hat Klaus Berschens im Holz der Eiche gefunden, aus dem er die endgültige Form seiner Skulpturen heraus- arbeitet: «Jede meiner Arbeiten, bis auf wenige
Ausnahmen, sind aus dem Stamm der Eiche. Gespalten, gesägt, geschnitten — in der Regel mit Kettensägen und Keilen.» Es sind einfache, blockhafte Formen, die aus diesem Prozess hervorgehen, in
deren Oberflächen der Künstler dann in weiteren Arbeitsschritten geometrische Muster hinein gräbt. Zuweilen schneidet er auch tief in den Block hinein, entnimmt Teile, erzeugt Aussparungen,
die er mit anderen Materialien – wie Beton, Edelstahl oder Harz – wieder füllt. Es ist ein Prozess des Nehmens und Gebens.
In weiteren Arbeitsschritten koloriert Berschens die Skulpturen. Er folgt dabei keinem rational kalkulierten Farbschema. Vielmehr fabuliert er frei und behandelt die Oberflächen auf eine Art,
die den Skulpturen die Schwere des Eichenblockes nimmt. Dies kann auf verschiedene Art geschehen – durch Einfärbung der in den Block eingravierten Linien, durch Einfärbung der durch die
Kreuzung der Linien entstandenen Flächen oder durch Kolorierung einzelner Rasterfelder. Das Spektrum reicht bei Klaus Berschens von holzsichtigen Blöcken mit wenigen farblich gefassten Linien
oder Punkten bis hin zu voll kolorierten Skulpturen mit reicher, malerischer Oberfläche.
Die kubischen Volumina der Eichenblöcke mit ihren in die Oberflächen eingearbeiteten Linien erhalten durch den Farbauftrag eine weitere Dimension, welche in den besten Arbeiten die Schwere der
Form völlig aufzulösen imstande ist. So entstehen Farbkörper, die aus sich selbst heraus zu strahlen scheinen —alein strukturiert und bemessen durch in das Holz eingegrabene Kannelüren,
Raster sich kreuzender Rillungen und bisweilen auch weitere, kleine geometrische Elemente.
Formal schöpft Klaus Berschens aus dem Reservoir der konkreten Kunst. Jedoch ist er im strengen Sinne kein konkreter Künstler, denn in ihrer letzten Konsequenz ist die konkrete Kunst «der reine
ausdruck von harmonischem maß und gesetz. sie ordnet systeme und gibt mit künstlerischen mitteln diesen ordnungen das leben», wie es Max Bill formulierte. Berschens ist in seinem künstlerischen
Schaffen weder rational noch systematisch. Er erforscht keine visuellen Gesetze, noch sind Maß und Ordnung das ultimative Ziel seiner Kunstübung. Ihm geht es letzten Endes um die
Auseinandersetzung mit der Welt, um die geistige Verdichtung der conditio humana, die Suche nach Beständigkeit. Die Art und Weise wie er dies tut, ist mehr seinem Ausgangsmaterial — dem Holz der
Eiche —geschuldet, als der kühlen Gedankenwelt der geometrisch-abstrakten Kunst.
So mag es auch nicht verwundern, dass Berschens u.a. neben Bildern von Mark Rothko, Barnett Newman
sowie Skulpturen von Ulrich Rückriehm auch traditionelle marokkanische Teppiche als wichtige künstlerischen Bezugspunkte benennt. In den 1980er Jahren war er zum ersten Mal nach Marokko
gereist, wo ihn die ursprünglichen geometrischen Muster der Berber-Teppiche in ihren Bann zogen. Diese Faszination hält bis heute an und findet immer aufs Neue ihr Echo in den unregelmäßigen
Linien und Rastern, mit denen der Künstler seine Skulpturen überzieht.
Wie nachhaltig gerade dieser Einfluss ist, wird besonders an den Gemälden von Klaus Berschens deutlich. Nachdem in den letzten Jahren der Farbauftrag — besonders auf seinen Reliefs — immer
pastoser, reicher
und auch malerischer wurde, begann der Künstler im Jahr 2013 schließlich, mittel- und großformatige Bilder auf Leinwand zu malen. In eine dick aufgetragene Acrylmasse ritzt er geometrische
Muster und
gestaltet danach den reliefartigen Grund farbig. Dient bei den skulpturalen Werken der Farbauftrag dazu, «der Eiche die Schwere zu nehmen», so verleiht die pastose Dichte der malerischen
Oberfläche den Bildern
eine materielle Präsenz.
Was alle Arbeiten von Klaus Berschens auszeichnet, ist ihre starke visuelle und haptische Anziehungskraft — ihre Schönheit. «Schönheit schafft Vertrauen; sie ruft zuerst Erstaunen hervor; sie
macht uns glücklich; die Schönheit, das ist Arglosigkeit ...», schreibt der französische Kunstkritiker Michel Seuphor. In diesem Sinn haben die Werke von Berschens eine positive,
lebensbejahende Botschaft.